Sebald, W.G.
Einer geht zu Fuß. Er wandert durch die Grafschaft Suffolk, eine spärlich besiedelte Gegend an der englischen Ostküste, und dort findet er, in den Heidelandschaften und abgelegenen Küstenorten, die ganze Welt wieder. Überall stößt er auf die Spuren vergangener Herrlichkeit und vergangener Schande. Scherben und Reliquien erinnern an die Aufstände der Taiping im China des 19. Jahrhunderts, an die Sklavenwirtschaft im belgischen Kongo, an die Verheerungen des Ersten Weltkriegs und an die Bombengeschwader des Zweiten.*So wird der Erzähler zum Grenzgänger zwischen Gegenwart und Vergangenheit, Menschheits- und Naturgeschichte, Traum und Wirklichkeit. Er berichtet von Seeschlachten und Heringsschwärmen, von Magnaten und Geheimwaffen, vom Aufstieg und Niedergang großer Reiche.*Den geringfügigen Rest am Wegrand bringt er zum Sprechen. Jeder Stein kündet von märchenhaften und unheimlichen Geschichten. Andere, die vor ihm in dieser entlegenen Gegend gelebt haben, begleiten ihn wie eine Geisterschar: Thomas Browne, Chateaubriand, Swinburne und Joseph Conrad. Sebalds Wallfahrt ist ein Buch ohne Vorbild – eines, das zwischen Bericht und Fiktion, Autobiographie und Geschichtsschreibung eine neue, eigene Form sucht und findet. Eine schwermütige Reverie ist so entstanden, in der nicht nur von Sturmfluten und Feuerbränden die Rede ist, sondern auch von der schleichenden Auflösung, von der Erosion und von den Wellen, die sich zuletzt über dem, was untergegangen ist, schließen. Unsere Welt erscheint darin wie ein versunkenes Vineta.